Uzupis in Vilnius. Die Flagge vo Uzupis
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Užupis – Die unabhängige Republik in Vilnius

Wie, eine unabhängige Republik in Litauens Hauptstadt Vilnius?

So oder so ähnlich wundert sich wahrscheinlich jeder, der zum ersten Mal von Užupis (sprich Uschupis) liest oder hört. Der kleine Stadtteil am Rande von Vilnius Altstadt hat sich -ganz klassisch soweit- vom heruntergekommenen und vernachlässigten Problemviertel über Spielwiese für Künstler und Kreative zum angesagten Szeneviertel entwickelt.

Ziemlich unklassisch hingegen ist sein Wandel zur freien Republik mit eigener Verfassung, eigenem Präsidenten sowie eigenem Botschafter des Windes und der Poesie.

Der Stadtteil Užupis ist zu einem hohen Grade kommerzialisiert und doch trotzt die Republik Užupis seit 20 Jahren erfolgreich der Kommerzialisierung. Erinnert irgendwie an ein kleines gallisches Dorf, die Geschichte…

Wie machen die das?

Höchste Zeit für einen Streifzug durch das Viertel für MojitoPapers, dachte ich mir und bin dort gewesen. Pünktlich zum 20. Geburtstag der Republik Užupis am 1. April.

Dieser Artikel ist übrigens Teil der Vilnius-Entdecken-Serie hier auf MojitoPapers. Entdecke die unbekannten Ecken der Stadt, erlebe die besten Outdoor-Aktivitäten in Vilnius und finde die besten Bars in Vilnius Altstadt!

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Užupis – die Entstehung eines Phänomens

Die Kurzform der Entstehung der Republik Užupis lautet in etwa so:

Das Viertel am Rande von Vilnius Altstadt war Mitte der Neunziger Jahre ein ziemlich heruntergekommenes, vernachlässigtes und verrufenes Viertel. Viele Häuser standen leer oder waren abrissreif, die meisten von ihnen hatten weder Strom noch sanitäre Anlagen.

Dann  entdeckten die ersten Künstler das zentrale Viertel mit den günstigen Mieten und den Häusern mit teils ungeklärten Besitzverhältnissen als Zuhause und Spielwiese für sich. In Užupis gab es reichlich Platz für Ateliers sowie Freiräume, sich auszutoben.

Irgendwie ist dann von einem kreativen Kneipenabend die Idee einer unabhängigen Republik als Kunstprojekt hängen geblieben und hat sich entwickelt. Zumindest könnte es gut so gewesen sein, genaue Infos zur Gründung der Republik Užupis gibt es nicht. „Hat sich einfach so ergeben“ ist das, was die alten Haudegen, die bei der Gründung bereits zugegen waren, für gewöhnlich dem Fragenden entgegnen.

Aus der Idee wurde ein Plan und dieser dann am 1. April 1997 in die Tat umgesetzt. Die unabhängige Republik Užupis wurde ausgerufen. Man wählte einen Präsidenten und verschiedene Botschafter. Eine Staatsflagge wurde entworfen. Und eine Verfassung wurde geschrieben, deren erster Artikel lautet:

„Jeder Mensch hat das Recht, am Fluss Vilnele zu leben, und der Fluss Vilnele hat das Recht, an jedem vorbei zu fließen.

Es wurde auch eine zwölf Mann starke Armee gegründet, die allerdings schon recht bald wieder aufgelöst wurde, da sie niemand für voll nahm…

Da der Freistaat vor allem auf Kunstaktionen setzte und seine Unabhängigkeit von Litauen nur in ideeller Weise proklamierte, wurde die unabhängige Republik von der offiziellen Stadtpolitik erst geduldet und dann als Chance für die stufenweise Erschließung und Aufwertung des gesamten Stadtteils wahrgenommen.

Und so kommt es, dass der Staat Užupis seit nunmehr 20 Jahren im Stadtteil Užupis existiert.

Aber was genau will die unabhängige Republik? Was soll das Ganze überhaupt?

Uzupis-Republik in Vilnius, Litauen

Užupis – mehr eine Idee als ein Staat

Du merkst vielleicht schon, so ganz ernst ist es den Užupiečiai nicht mit ihrer Republik. Zumindest, was Formalitäten und Ernsthaftigkeit an sich angeht.

Die Idee hingegen, die hinter der Republik Užupis steht, nehmen alle „Staatsangehörigen“ sehr wohl sehr ernst: Eine Gemeinschaft schaffen und aufrechterhalten, in der Positives entsteht und das Zusammenleben gestärkt wird. Eine Gemeinschaft, in der jeder Mensch das Recht hat, glücklich zu sein sowie jeder Mensch das Recht hat, unglücklich zu sein, wie es in den Artikeln 16 und 17 der Verfassung heißt.

Falls du jetzt auch gerne Staatsangehöriger der Republik Užupis wärst- herzlichen Glückwunsch, du bist aufgenommen!

So unkompliziert läuft das nämlich hier: Jeder kann der Republik Užupis angehören, egal wer und von wo, „sogar aus dem Himmel nehmen wir auf“ sagte mir einer der Užupiečiai (so nennen die Litauer die Staatsangehörigen von Užupis), den ich auf meiner Erkundungstour nach den Aufnahme-Regularien fragte.

Prominentester Užupietis (einzelner Bewohner von Užupis) ist übrigens der Dalai Lama, der ebenfalls ein offizieller Botschafter der Republik ist.

Uzupis in Vilnius - Turm mit tibetischen Gebetsfahnen
Turm mit tibetischen Gebetsfahnen in Užupis

Užupis – Gemeinschaft schaffen

Das Zusammenleben der Menschen im Viertel und darüber hinaus positiv zu beeinflussen, dass scheint mir der Kerngedanke der Republik Užupis zu sein. Aber wahrscheinlich wäre das vielen Užupiečiai bereits viel zu ernsthaft. Denn auf ernste Weise Einfluss nehmen, das passt nicht zum Selbstverständnis der Republik. Schließlich ist sie eine kreative Künstler-Republik, die sich nie zu ernst nehmen wollte.

Schon deshalb lehnen die Užupiečiai Vergleiche mit dem Pariser Künstlerviertel Montmartre oder dem berühmtesten aller Freistaaten, Christiania in Kopenhagen, ab. Mit letzterem besteht allerdings eine enge Partnerschaft.

Und die Republik Užupis ist ihren Ursprüngen immer treu geblieben, trotz steigender Mieten und Sanierungen und damit einhergehenden wachsenden ökonomischen Ungleichgewichten im Stadtteil.

Vielleicht macht gerade diese inhärente Leichtigkeit und Verspieltheit den unbändigen Charakter von Užupis aus und lässt die Idee inmitten von Kommerzialisierung nicht nur überleben, sondern gedeihen.

Užupis hat mehr Anhänger denn je und jedes Jahr kommen mehr Besucher, die durch die liebevoll gestalteten Gassen schlendern oder an einem der zahlreichen Feste der Republik teilnehmen.

St. Patrick's Day in Uzupis in Vilnius
Zum St. Patrick’s Day wird das Wasser der Vilnele in Užupis grün gefärbt.

Užupis – ein Staat in Feierlaune

In Užupis wird ständig etwas gefeiert. Ob nun Fische freigesetzt werden, Kunstwerke eingeweiht werden, St. Partick’s Day zelebriert oder das Festival der alternativen Mode gefeiert wird, in Užupis ist für all dies und noch viel mehr Platz.

Das größte und bunteste Fest des Jahres findet jedoch immer am 1. April statt. Klar, es wird Geburtstag gefeiert!

An diesem Tag platzt das Viertel aus allen Nähten, trotz der meistens noch recht kühlen Temperaturen in Vilnius werden Bühnen aufgebaut und Umzüge abgehalten. Überall hängt die offizielle Fahne der Republik, eine Hand mit einem Loch darin. „Halte nichts fest, lass alles fließen.“

Es gibt an diesem Tag sogar eine eigene Währung und eigens eingerichtete Grenzkontrollen. Ein Lächeln kostet die Einreise. Sodann bekommst du einen Stempel in deinen Reisepass oder auf ein Blatt Papier, deine Hand, wo immer du möchtest.

Überall ist Musik zu hören, Menschen stehen zusammen und lachen. Die kleinen Bars des Viertels quillen über und mitten auf dem Hauptplatz von Užupis, dort, wo ein Engel über die Menschen von Užupis wacht und der der Republik den Beinamen „Engelsrepublik“ eingebracht hat, mitten dort steht ein unscheinbarer Brunnen, um den sich viele Menschen scharen.

Jedes Jahr wieder kann es passieren, dass um Punkt zwölf Uhr mittags auf einmal Bier statt Wasser aus dem Hahn fließt. Ob es passiert, ist ein streng gehütetes Geheimnis und nur ein kleiner Kreis von Eingeweihten weiß dies im Vorfeld.

Dieses Jahr, zum 20. Geburtstag von Užupis, floß das Bier in Strömen aus dem Hahn. Als ich drei Stunden später auf dem Platz eintraf, war der Bierbrunnen bereits ver- und so manch einer der Umstehenden bereits besiegt.

Doch das Geburtstagsfest ist kein kollektives Besäufnis. Es geht darum, sich als Republik, sich selbst als Mensch zu feiern und das friedliche und respektvolle Zusammenleben vieler sehr unterschiedlicher Menschen auf engem Raum. Und in welcher Form der Einzelne das tun möchte, das stehe ihm doch bitteschön im Rahmen des friedlichen Miteinanders frei. Ganz Užupis halt.

Geburtstag der Republik Uzupis am 1. April

Užupis – Sehenswürdigkeiten, Bars und Restaurants

Užupis ist ein kleines Viertel und du kannst es in kurzer Zeit zu Fuß erkunden.

Kommst du aus der Altstadt, musst du eine der beiden Hauptbrücken über die Vilnele überqueren, die nach Užupis führen. Zwischen diesen beiden Brücken findest du einen Uferweg mit vielen skurrilen Kunstwerken wie einem Schaukelstuhl-Einhorn, einer aus Beton gegossenen Waschmaschine oder dem Jesus der Backpacker.

Die Terrassen des offiziellen Parlaments der Republik, dem Café Užupio Kavinė, laden an warmen Tagen zum Zwischenstopp, In-die-Sonne-blinzeln und Schnacken ein. Dort kannst du auch ein kleine, aber bedeutende Skulptur für die Republik Užupis sehen: Die kleine Meerjungfrau, die sehnsuchtsvoll und verspielt über dem Fluss Vilnele sitzt und gen Himmel blickt.

Die kleine Meerjungfrau in Uzupis in Vilnius
Die kleine Meerjungfrau in Uzupis in Vilnius

Schaukelbegeisterte finden unter der Brücke eine Hängeschaukel groß genug für zwei. Lediglich nasse Füße musst du dafür in Kauf nehmen, da die Schaukel mitten über dem Fluss aufgehängt ist.

Ein Stück weiter die Straße hinauf, findest du den Hauptplatz der Republik mit der Engelsstatue. Gehst du vor dem Platz nach rechts kommst du zu einer Wand, an dem die 41 Artikel der Verfassung von Užupis in vielen verschiedenen Sprächen auf Metalltafeln eingelassen sind.

Verfassung der Republik Uzupis in Vilnius

Ansonsten kann ich dir nur raten, dich einfach durch das Viertel treiben zu lassen, in die Hinterhöfe zu schauen und auch mal durch zwei oder drei Höfe durchzugehen.

Der einzige Vorteil der explodierenden Anzahl von Autos auf der Welt besteht meiner Meinung nach darin, dass in vielen älteren Städten die Innenhöfe zunehmend als Parkplatz benötigt werden und diese dadurch auch für uns Entdecker zugänglich sind. Diese Mikrokosmen mit ihrer oftmals sehr privaten Atmosphäre und liebevoll eingerichteten Höfen schätze ich sehr.

In der Regel sind die Anwohner sehr freundlich, wenn du kurz und freundlich grüßt und dich respektvoll verhältst, auch wenn du gerade durch ihren „Garten“ läufst.

Es gibt viele kleine Läden und Boutiquen in Užupis, in denen du viel Außergewöhnliches und Skurriles finden kannst.

Restaurant-Tipps: Gegen den Hunger kann ich dir die Bagels von Beigelistai empfehlen. Der Laden ist etwas versteckt im oberen Teil von Užupis, ist aber die Mühe definitiv wert!

Polocko g. 9 , Vilnius

Die Užupio picerija ist gleich bei den Verfassungstafeln und ist ein schöner kleiner und gemütlicher Ort, um in Ruhe eine Pizza zu essen und das Treiben vor dem großen Fenster zu beobachten. Im Sommer kannst du hier auch schön draußen sitzen.

Paupio g. 3, Vilnius; +370 5 215 3666

Gutes Restaurant in Uzupis in Vilnius

Für alle Bierliebhaber:

Šnekutis (lit. für „Schnacker“) ist ein sehr rustikales Bierlokal mit traditionellen litauischen Biersnacks und traditionellen litauischen Bieren. Du findest hier Biere, wie sie sonst nirgendwo auf der Welt gebraut werden. Vor allem die litauischen Farmhouse Ales, die sogenannten Kaimiškas, werden deine Geschmacksknospen vor neue Herausforderungen stellen. Unmöglich, diese Biere irgendwo einzuordnen, sie bewegen sich jenseits der gängigen Kategorien.

Polocko g. 7A, Vilnius

Die winzige Bier-Bar Špunka am Engelsplatz hat ebenfalls einige sehr gute Biere am Start.

Užupio 9

Der Engelsplatz mit Spunka-Bar in Uzupis in Vilnius
Der Engelsplatz in Uzupis. Rechts im Bild der Eingang zum Spunka.

In Vilnius gibt es zahlreiche gute und relativ günstige Unterkünfte.

Wenn du auf stylische und gemütliche Hostels stehst, kann ich dir das Downtown Forest Hostel sehr ans Herz legen. Ansonsten gibt es in der Altstadt zahlreiche gute Apartments und Hotels für jeden Geschmack und Geldbeutel.

Booking.com

Užupis – quo vadis?

Diese Frage abschließend zu beantworten, ist nicht drin. Zurzeit jedenfalls noch nicht.

Einerseits sind da die immer noch steigenden Mieten und eine ganze Herrschar neuer Eigentumswohnungen für die sogenannten Dinks (double income, no kids) und andere Reiche Hauptstädter, die von dem kreativen und bunten Vibe des Stadtteils angezogen werden. Ganze Straßenzüge verändern sich grundlegend, und leider -zumindest äußerlich- nicht unbedingt immer zum Besseren. Es scheint fraglich, ob sich das ausgeprägte Nachbarschaftsgefüge in Užupis trotz Sicherheitstoren mit Gegensprechanlage und Videokamera halten kann, zumal im Zuge der Aufwertung des Viertels auch viele Alteingesessene das Viertel verlassen (müssen).

Andererseits ist da diese kleine unabhängige Republik, die sich in ihrer Verspieltheit als gleichzeitig unheimlich flexibel als auch unabänderlich zeigt und es irgendwie schafft, allen Widrigkeiten zu trotzen. Ja, die es sogar schafft, dass sich die Idee der Gemeinschaft dort fortsetzt, wo alte, klapprige Holzhäuser neben neuen, teuren Apartmentgebäuden stehen.

Vielleicht kommt den Užupiečiai hier zugute, dass ihre Republik nicht so sehr auf formellen Grundsätzen und territorialen Ansprüchen fußt, sondern ideeller Natur ist.

Vielleicht ist es genau diese Idee der sich gegenseitig Freude und Hilfe schenkenden Gemeinschaft mit dem Hang zum schelmischen Augenzwinkern, die sich ihren Weg auch durch Sicherheitstore und Gegensprechanlagen bahnt.

„Jeder Mensch darf mit anderen teilen, was er hat.“ (Artikel 28 der Verfassung von Užupis)

„Kein Mensch kann mit anderen teilen, was er nicht hat.“ (Artikel 29)

Bleibt zu hoffen, dass sich der besondere Charme von Užupis für immer halten möge.

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